Erlebnispädagogisches Projekt | Mensch und Tier e.V., Pferdeprojekt

Kembali hat Nagellack, besser Huflack, bekommen. Foto: © Pferdeprojekt

 

Das Pferdeprojekt ermöglicht neben den regelmäßigen reittherapeutischen Angeboten für Kinder, Jugendliche und Erwachsene auch projektbezogene pädagogische Arbeit mit dem Medium Pferd. Im letzten Jahr gab es eine Kooperation mit dem Tannenhof Berlin-Brandenburg e.V., der vielfälti- ge Angebote zu den Themen Suchthilfe, Präventionsprojekte, Kinderhilfe und Psychosomatik anbietet.

Von Sara Schmid-Kapfenburg

Im Sommer und Herbst letzten Jah- res hatten insgesamt 16 Mädchen und Jungen im Alter von 7-10 Jahren der Kinderhilfe des Tannenhofs die Möglichkeit, auf dem Kinderbauernhof Ilse Reichel in Berlin Schönefeld ein reitpädagogisches Programm zu erleben. Hierbei wechselten sich jeweils acht Kinder wöchentlich ab, so dass die Kinder alle zwei Wochen zum Pferdeprojekt kamen. Da es sich beim Tannenhof-Projekt nicht um eine regelmäßige langfristige Gruppentherapie, sondern um ein Projekt mit einem begrenzten zeitlichen Rahmen handelt, sollte den Kindern ein in sich schlüssiges und ein auf im Verlauf bereits Gelerntes aufbauendes Programm geboten werden.

Neben dem Führen, Putzen und Füttern der Pferde, gibt es natürlich noch viele andere Dinge, die man vom Boden aus mit den Tieren machen kann. Zum Beispiel kann man sie als Leinwand nutzen und der Kreativität freien Lauf lassen. Und wer würde sich besser dafür eignen als die Schimmelstuten Kali und Kembali?

Kembali. © Pferdeprojekt
Ob die Pferde genug Wasser auf der Weide zur Verfügung haben, muss regelmäßig überprüft werden.

So ging es beim ersten Termin hauptsächlich um das gegenseitige Kennenlernen sowie um das Kennenlernen des Hofes und der darauf lebenden Tiere, wobei nicht nur die Pferde, sondern auch vor allem auch die Katzen, Hühner, Frösche und Schwalben, deren Küken kürzlich geschlüpft waren, die Kinder begeisterten. Das Kennenlernen, Putzen und Streicheln der Pferde stellte für viele Kinder den ersten Kontakt mit den imposanten, großen Tieren dar und weckte bei vielen augenblicklich die Lust, am liebsten sofort aufzusteigen und loszureiten – am besten ganz eigenständig bei einem Ausritt so wie Bibi und Tina. Dass das so nicht ganz umsetzbar ist, haben schließlich jedoch (fast) alle Kinder eingesehen und freuten sich auf den nächsten Termin, bei dem viele von ihnen zum ersten Mal auf dem Rücken eines Pferdes sitzen würden. Im Laufe der nächsten Termine wurde das Führen der Pferde geübt, wobei die Kinder lernten, das Pferd in Bahnfiguren und durch den Hindernisparcours zu führen. Hierbei durften sie sich gegenseitig ihr Vertrauen beweisen, in dem sich ein reitendes Kind von einem anderen Kind einen Parcours entlangführen ließ. Beim Traben an der Longe machten einige Kinder den Eindruck, als hätten sie nie etwas anderes gemacht, während andere erst ein wenig Angst überwinden mussten, dann aber umso stolzer ihren Freunden winkten und zuriefen. Schon nach wenigen Terminen trauten sich fast alle Kinder freihändig zu reiten (teilweise sogar im Trab) und sogar einige Voltigier Übungen zu machen.

Ausritt ins Gelände. Foto: © Pferdeprojekt

Nach und nach bauen Kinder eine Beziehung zum Pferd auf. Das Putzen der Pferde vor dem Reiten wurde zu einem Ritual, das die Kinder schnell verinnerlicht hatten. Beim Putzen konnte naher Kontakt zu den Tieren aufgenommen und deren Verhalten beobachtet werden. Sie lernten zu erkennen, was ihrem jeweiligen Pferd gefällt, und was es eher nicht so gut findet und bauten so eine Beziehung zu dem Tier auf. Zwar machte die Pflege nicht allen gleich viel Spaß, doch sahen so gut wie alle ein, dass ein Pferd nun mal kein Fahrrad ist, das aus dem Schuppen geholt, für den Spaß benutzt und anschließend wieder weggestellt wird, bis es das nächste Mal „gebraucht“ wird. So ähnlich sah es auch mit der Fütterung der Pferde aus. Beim Füttern der beiden Stuten Kali und Kembali lernten die Kinder nicht nur die Gemeinsamkeiten zwischen ihrem Frühstück und dem der Pferde (zum Beispiel Mais), sondern sie erfuhren auch, dass Pferde – wie Menschen – lebende Wesen mit Bedürfnissen sind, und sie lernten Fürsorge und Verantwortung für diese zu zeigen. Während der insgesamt zehn Termine pro Gruppe machten die Kinder nicht nur Fortschritte im Umgang mit den Pferden (und teilweise mit den Katzen und Hühnern), sondern sie entwickelten auch immer mehr Interesse am Reiten – vor allem am „alleine reiten“, also dem Reiten ohne dabei geführt zu werden. Deswegen wurden mehrere Termine damit verbracht, den Umgang mit Zügeln und die Praxis des Reitens zu üben. Kleine Herausforderungen wie im Umgang mit dem Pferd Bannio, der sich in das Holzferd (an dem das Auf- und Absteigen geübt werden kann) „verliebt“ hat und am liebsten gar nicht mehr von dessen Seite weichen möchte, oder mit der Stute Kem- bali, die manchmal lieber selbst entscheiden möchte, in welche Richtung sie geht, wurden meist amüsiert hingenommen, und Stolz und Freude kamen auf, wenn sie überwunden werden konnten und die Pferde tatsächlich in die ihnen angegebene Richtung liefen.

Einer der Höhepunkte der gemeinsamen Zeit stellte ein Ausritt mit Schnitzeljagd und Schatzsuche am vorletzten Termin dar. Alle 16 Kinder trafen sich morgens auf dem Kinderbauernhof, bevor sie sich wieder in zwei Gruppen aufteilten und sich getrennt voneinander auf dem Weg zum vereinbarten Treffpunkt „Wasserstelle“ machten.

Stockbrot. © Pferdeprojekt

Eine Gruppe zu Fuß mit ihren Betreu- ern der Wohngruppen und eine zu Pferd. Da die beiden Gruppen an der Wasserstelle tauschen würden, be- kamen beide die Aufgabe, mit Bänd- chen den Weg für die jeweils andere Gruppe zu markieren. Alle Kinder be- kamen während des Hinwegs Hin- weise auf den Aufenthaltsort des Schatzes – doch um die Hinweise zu entschlüsseln, mussten Rätsel gelöst werden, bei denen die Kinder unter Beweis stellen konnten, was sie al- les so gelernt hatten. Neben dem Namen des Hofkaters mussten auch Fragen nach Zutaten fürs Pferdefut- ter und den richtigen Begriffen für Pferdebürsten beantwortet werden, um auf die Lösungswörter kommen.

An der Wasserstelle angekommen, war die Aufregung natürlich groß, und es dauerte auch nicht lange, bis der Schatz gefunden war. Und so machten alle zusammen Pause am Wasser – die Pferde grasten, und die Kinder bedienten sich an ihrem wohlverdienten Schatz an Getränken und Süßigkeiten. Der Rückweg war dank der Hinweis-Bändchen schnell gefunden, und wieder am Hof angekommen, waren alle ziemlich er- schöpft vom langen Ausritt und Spaziergang, aber auch sehr zufrieden. Am letzten inhaltlichen Termin durften en die Kinder nochmal frei entschei- den, womit sie ihre Zeit gerne verbringen würden. Und so ging es in einer der Gruppen zum letzten Mal auf den Reitplatz, auf dem die Kinder bei sonnigem Wetter nochmal selbst die Zügel in die Hand nehmen durften, während es in der anderen Gruppe zu einem letzten gemeinsamen Ausritt ins Gelände ging. Beim Abschlusstermin, an dem alle zusammen Stockbrot am Lagerfeuer machten und dazu Tee tranken, durften die Kinder Auswertungsbögen ausfüllen, auf denen sie Anmerkungen und Erfahrungen aufschreiben konnten. Alle Kinder schrieben, dass es ihnen sehr gefallen hätte und dass ass sie sich auch in der Zukunft weiterhin den Kontakt zu den Pferden wünschen würden. Deshalb freuen wir uns umso mehr, dass auch in diesem Jahr den Kindern des Tannenhofs die Teilnahme an unserem Projekt durch die Förderung der Eduard Winter Kinderstiftung Berlin ermöglicht wird.